Als studierter Historiker und Immobilienexperte der den Geschäftssitz in diesem historischen Gebäude haben darf, ist natürlich auch eine gewisse Affinität für Altbauten und deren Geschichte gegeben. Auch wenn es der Natur der Tätigkeit entspricht, dass wir – anders als die Immobilienobjekte – oft unterwegs sind, hat die Liegenschaft Münsterplatz 1 einen hohen Wert für uns.
Die Artikelreihe mit dem Doktorhaus am Münsterplatz zu beginnen hat zudem auch einen Jubiläumscharakter, wurde die Liegenschaft doch exakt vor 130 Jahren durch meinen Ur-Grossvater erworben.
Das Doktorhaus in Sursee
Der Objektname im Denkmalschutzverzeichnis lautet «Doktorhaus». Der Name Doktorhaus kommt von daher, dass das Gebäue eine der ältesten dauerhaft betriebenen Arztpraxen der Schweiz beherbergt. Im Jahr 1862 wurde das bestehende Gebäude durch den Arzt Karl Attenhofer-Beck erworben und grundlegend umgebaut. Karl Attenhofer entstammte der in Sursee seit 1777 ansässigen Ärztefamilie Attenhofer, die vor allem durch seinen Vater Heinrich Ludwig (von) Attenhofer Bedeutung erlangte. Die Liegenschaft wurde entsprechend der Bedürfnisse von Dr. Karl Attenhofer zu einem repräsentativen Wohnsitz mit Arztpraxis umgebaut. Sein Sohn Anton Heinrich folgte ihm als Arzt und Eigentümer der Liegenschaft bevor er sie im Jahre 1892 an seinen entfernten Verwandten Dr. Karl Beck-Curti verkaufte. Nach Karl Beck folgte sein Sohn Dr. Rudolf Beck-Bossart und sein Enkel Dr. Rudolf Beck-Wettstein als Eigentümer und Betreiber der Arztpraxis. 2001 übergab letzterer die Praxis an Frau Dr. Röhrig, die ihrerseits die Arztpraxis im Jahr 2007 an das Ärzteehepaar Dr. Harte übergab, das die Praxistätigkeit als Hausärzte in Sursee aktuell ausführt. Die Liegenschaft befindet sich jedoch nach wie vor im Eigentum der Familie Beck. Damit kann in der Liegenschaft Doktorhaus eine 160 jährige Tradition der medizinischen Grundversorgung nachgewiesen werden.
Baugeschichte
Die grossbürgerliche Villa, die den Münsterplatz dominiert, geht in ihrem Kern auf das Ende des 18. Jahrhunderts zurück. Der Bau ist in Mischbauweise erstellt, wobei der untere Teil massiv und der obere Teil als verputzter Riegelbau daherkommt. Umbauten 1862 und vor allem 1910 durch den damals berühmten Architekten Heinrich Meili-Wapf, der unter anderem den Erkeranbau mit den Familienwappen Beck und Curti realisierte, gaben dem Gebäude das heutige Erscheinungsbild. Nach verheerenden, fremdverschuldeten Bränden in den Jahren 1994 und 1996, die die oberen zwei Stockwerke total zerstörten und den Rest des Hauses stark in Mitleidenschaft zog, wurde das Gebäude einer Totalsanierung unterzogen und die heutigen Struktur mit Wohnungen und Arztpraxis errichtet. Neben dem Gebäude an sich ist die grosszügige Gartenanlage mit altem Baumbestand in unmittelbarer Nähe zur Surseer Altstadt, sowie die Ökonomiegebäude charakteristisch für das Gesamt-Ensemble.
Heinrich Meili-Wapf
Der Zürcher Architekt Heinrich Meili (1860 – 1927) darf als einer der renommiertesten Architekten seiner Zeit in der Zentralschweiz bezeichnet werden. Er hat den letzten stilverändernden Umbau der Liegenschaft Münsterplatz 1 in Sursee um das Jahr 1910 im Auftrag von Karl Beck-Curti vorgenommen. Heinrich Meili war unter andrem für bekannte Bauten wie die Hotels Palace in Luzern oder das Palace auf dem Bürgenstock oder das ursprüngliche Hotel Semiramis in Kairo verantwortlich. Bei der Luzerner Hofkirche gestaltete er den Vorplatz mit der dominanten Treppe um und konnte unter anderem mehrere Kirchen und Schulhäuser in der Gegend realisieren. Als Leiter der Hochbauabteilung der Gotthardbahn war er für die Architektur mehrerer Bahnhöfe zuständig. Zudem wurden die Luzerner Quartiere Tribschen und Hirschmatt auf der Grundlage seines Stadtbauplans erstellt.
Würdigung auf dem Datenblatt der Denkmalpflege
«Repräsentativer, den Strassenraum am Münsterplatz Richtung Beromünster dominierender Villenbau mit intakter grosszügiger Parkanlage. Die im Kern aus dem späten 18. Jahrhundert stammende klassische Villa mit sekundären Überformungen zeugt vom wirtschaftlichen Aufschwung und vom aufstrebenden Bürgertum ab 1800 und ist in Sursee das älteste noch erhaltene grossbürgerliche Haus ausserhalb der alten Stadtmauern.»
FB 2022
Weiterführende Links:
Attenhofer, Heinrich Ludwig (hls-dhs-dss.ch)
Meili, Heinrich (hls-dhs-dss.ch)
Schlüsselbegriffe dieses Artikels:
Sursee, Doktorhaus, Münsterplatz, Architektur, Denkmalschutz, Geschäftssitz, Historismus, Heinrich Meili, Attenhofer, Beck, Palace Luzern, Palace Bürgenstock, Gotthardbahn, Beck Sursee