1. Was ist das Baurecht?
Das Baurecht ist ein begrenztes dingliches Recht, das einer Person (dem Bauberechtigten) die Möglichkeit gibt, auf einem fremden Grundstück ein Bauwerk zu errichten und zu nutzen. Dabei bleibt das Grundstück selbst im Eigentum des Grundstückseigentümers (auch "Baurechtsgeber" genannt). Der Bauberechtigte hat das Recht, das Grundstück über einen bestimmten Zeitraum zu nutzen, während der Grundstückseigentümer weiterhin Eigentümer des Landes bleibt. Das Baurecht ist in der Schweiz im Zivilgesetzbuch (ZGB) geregelt, insbesondere in den Artikeln 675 und 779 ZGB.
Das Baurecht ist in der Regel zeitlich befristet und kann auf bis zu 100 Jahre ausgelegt werden. Nach Ablauf des Baurechts fällt das Bauwerk entweder an den Grundstückseigentümer zurück, oder es wird eine andere vertragliche Regelung getroffen.
2. Rechtliche Rahmenbedingungen des Baurechts
2.1. Vertragsabschluss und Eintragung ins Grundbuch
Das Baurecht wird durch einen Vertrag zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Bauberechtigten begründet. Dieser Vertrag muss öffentlich beurkundet werden, um rechtswirksam zu sein. Eine weitere wichtige Voraussetzung für die Gültigkeit des Baurechts ist die Eintragung ins Grundbuch. Ohne diese Eintragung hat der Vertrag keine dingliche Wirkung und bindet daher nur die Vertragsparteien persönlich.
2.2. Dauer des Baurechts
Ein Baurecht wird in der Regel für eine festgelegte Dauer begründet, die meistens zwischen 30 und 100 Jahren liegt. Nach Ablauf dieser Frist kann der Vertrag entweder verlängert werden, oder das Baurecht erlischt, und das Eigentum an den auf dem Grundstück errichteten Bauten geht in der Regel auf den Grundstückseigentümer über.
2.3. Entschädigung bei Ablauf des Baurechts
Wenn das Baurecht endet, ohne dass es verlängert wird, stellt sich die Frage, was mit den auf dem Grundstück errichteten Bauten geschieht. In der Regel sieht das Gesetz vor, dass der Bauberechtigte Anspruch auf eine Entschädigung für den Wert des Bauwerks hat. Die genaue Höhe der Entschädigung wird meist vertraglich festgelegt und kann sich am aktuellen Marktwert oder am Restwert des Bauwerks orientieren.
2.4. Heimfallrecht
Das Heimfallrecht besagt, dass die Bauten nach Ablauf des Baurechts ohne weitere Entschädigung an den Grundstückseigentümer fallen, sofern dies vertraglich vereinbart wurde. In der Praxis wird jedoch meist eine Entschädigungsregelung getroffen.
2.5. Pflichten des Bauberechtigten
Der Bauberechtigte hat verschiedene Pflichten, die im Baurechtsvertrag festgelegt sind. Dazu gehört die Verpflichtung, das Grundstück und die darauf errichteten Bauten ordnungsgemäss zu nutzen und instand zu halten. Der Bauberechtigte muss außerdem in der Regel Baurechtszinsen an den Grundstückseigentümer zahlen. Diese Zinsen sind eine Art Miete für die Nutzung des Grundstücks und können entweder als fixer Betrag oder als Prozentsatz des Bodenwertes festgelegt werden.
2.6. Unterbaurecht
Der Bauberechtigte hat das Recht, das Baurecht weiter zu veräußern oder zu vererben. Es besteht auch die Möglichkeit, ein sogenanntes Unterbaurecht zu begründen. Dabei handelt es sich um ein Baurecht, das vom Bauberechtigten an einen Dritten weitergegeben wird. Dieses Unterbaurecht kann die gleiche Dauer haben wie das ursprüngliche Baurecht oder auch kürzer befristet sein.
2.7. Belastung und Verpfändung
Das Baurecht kann ebenso wie ein Grundstück belastet und verpfändet werden. Es kann also z.B. mit einer Hypothek belastet werden, um Bauvorhaben zu finanzieren. Da das Baurecht im Grundbuch eingetragen wird, kann es auch verkauft oder vererbt werden. Der Käufer eines Baurechts übernimmt dabei sämtliche Pflichten und Rechte des ursprünglichen Bauberechtigten.
3. Rechte und Pflichten der Vertragsparteien
3.1. Rechte des Bauberechtigten
Das Hauptrecht des Bauberechtigten besteht darin, das Grundstück entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen zu nutzen. Er kann auf dem Grundstück Gebäude errichten, die ihm während der Laufzeit des Baurechts gehören. Zudem hat er das Recht, das Baurecht weiter zu veräußern oder zu vererben.
Der Bauberechtigte kann das Grundstück auch im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen und der vertraglichen Vereinbarungen nutzen und die darauf errichteten Bauten vermieten. Dies kann eine attraktive Möglichkeit zur Erzielung von Einnahmen sein, besonders wenn sich das Grundstück in einer begehrten Lage befindet.
3.2. Pflichten des Bauberechtigten
Zu den Pflichten des Bauberechtigten gehören die regelmäßige Zahlung der Baurechtszinsen sowie die ordnungsgemäße Instandhaltung der auf dem Grundstück errichteten Bauten. Die Baurechtszinsen können je nach Vereinbarung als fester Betrag oder als Prozentsatz des Bodenwertes festgelegt werden. Zudem kann der Baurechtsgeber verlangen, dass der Bauberechtigte bestimmte Bauvorschriften einhält, etwa in Bezug auf die Art der Bebauung oder die Nutzung des Grundstücks.
3.3. Rechte des Grundstückseigentümers
Der Grundstückseigentümer behält das Eigentum am Grundstück und erhält in der Regel regelmäßige Baurechtszinsen. Zudem kann er vertraglich festlegen, wie das Grundstück genutzt werden darf und welche Bauwerke darauf errichtet werden können. Nach Ablauf des Baurechts hat er das Recht, das Eigentum an den darauf errichteten Bauten zu übernehmen, wie dies geschieht ist Gegenstand der Vereinbarung.
3.4. Pflichten des Grundstückseigentümers
Der Grundstückseigentümer ist verpflichtet, dem Bauberechtigten die ungestörte Nutzung des Grundstücks zu gewähren. Er darf also nicht ohne weiteres in das Baurecht eingreifen oder zusätzliche Bedingungen stellen, die nicht im Vertrag vereinbart wurden. Zudem muss er das Baurecht im Grundbuch eintragen lassen, damit es gegenüber Dritten wirksam ist.
4. Unterschiede zu ähnlichen Rechtsformen im Ausland
Das Baurecht ist nicht nur in der Schweiz, sondern auch in vielen anderen Ländern eine gängige Praxis. Allerdings gibt es Unterschiede in der Ausgestaltung und den rechtlichen Rahmenbedingungen.
4.1. Deutschland: Erbbaurecht
Das deutsche Pendant zum Baurecht ist das sogenannte Erbbaurecht. Es ist im Erbbaurechtsgesetz geregelt und ähnelt dem Schweizer Baurecht in vielerlei Hinsicht. Auch hier erwirbt der Bauberechtigte das Recht, auf einem fremden Grundstück ein Gebäude zu errichten und dieses für einen bestimmten Zeitraum zu nutzen. Das Erbbaurecht ist ebenfalls vererbbar und kann ins Grundbuch eingetragen werden. Ein wesentlicher Unterschied zum Schweizer Baurecht besteht jedoch darin, dass in Deutschland die Laufzeit des Erbbaurechts meist 99 Jahre beträgt und das Erbbaurecht unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Zustimmung des Grundstückseigentümers verlängert werden kann.
4.2. Österreich: Superädifikat
In Österreich gibt es eine ähnliche Rechtsform, die als Superädifikat bezeichnet wird. Ein Superädifikat ist ein Bauwerk, das auf fremdem Grund errichtet wird und nicht als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks gilt. Es unterscheidet sich vom Baurecht dadurch, dass es in der Regel nur vorübergehender Natur ist und der Eigentümer des Superädifikats kein dingliches Recht am Grundstück selbst erwirbt. Das Superädifikat kann, ähnlich wie das Baurecht, veräußert und vererbt werden. Im Gegensatz zum Baurecht ist jedoch keine Eintragung ins Grundbuch erforderlich.
4.3. Frankreich: Bail à Construction
In Frankreich existiert das "Bail à Construction", das dem Baurecht in der Schweiz ähnlich ist. Hierbei handelt es sich um einen Mietvertrag, der den Bau eines Gebäudes auf einem fremden Grundstück erlaubt. Der Mietvertrag ist in der Regel befristet und kann eine Laufzeit von bis zu 99 Jahren haben. Nach Ablauf des Vertrags fällt das Gebäude in der Regel an den Grundstückseigentümer zurück. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass das französische Recht den Grundstückseigentümer in einer stärkeren Position sieht, was die Kontrolle über das Bauvorhaben betrifft.
4.4. England: Leasehold
In England gibt es das sogenannte "Leasehold", bei dem der Pächter das Recht erhält, ein Grundstück für einen bestimmten Zeitraum zu nutzen und darauf zu bauen. Der Eigentümer des Grundstücks bleibt jedoch weiterhin der Freeholder (Grundstückseigentümer). Das Leasehold kann in England für Zeiträume von mehreren Jahrzehnten bis zu 999 Jahren vereinbart werden. Anders als im Schweizer Baurecht kann, der Leaseholder nicht automatisch das Eigentum an den Bauten nach Ablauf der Leasehold-Periode behalten, sondern muss sich mit dem Freeholder über die Bedingungen einigen.
5. Auf was muss man achten, wenn man ein Grundstück im Baurecht erwirbt?
5.1. Vertragsgestaltung
Die Vertragsgestaltung ist beim Erwerb eines Baurechts von zentraler Bedeutung. Es ist wichtig, dass alle wesentlichen Punkte wie die Höhe der Baurechtszinsen, die Dauer des Baurechts, die Nutzung des Grundstücks, sowie Regelungen zum Heimfall und zur Entschädigung klar und detailliert festgelegt werden. Der Vertrag sollte so gestaltet sein, dass er sowohl die Interessen des Baurechtsgebers als auch die des Bauberechtigten ausgewogen berücksichtigt.
5.2. Laufzeit und Verlängerung
Die Laufzeit eines Baurechts kann erheblichen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit eines Bauprojekts haben. Es ist daher ratsam, im Vorfeld zu prüfen, ob die geplante Laufzeit des Baurechts ausreicht, um das Bauvorhaben wirtschaftlich zu betreiben. Auch sollte eine mögliche Verlängerung des Baurechts im Vertrag berücksichtigt werden, um nach Ablauf der ursprünglichen Laufzeit eine Fortführung des Projekts zu ermöglichen.
5.3. Finanzierung
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Finanzierung des Bauvorhabens. Da das Baurecht in der Schweiz als dingliches Recht im Grundbuch eingetragen wird, kann es wie ein Grundstück belastet werden, zum Beispiel durch Hypotheken. Banken verlangen jedoch häufig zusätzliche Sicherheiten, da das Baurecht eine begrenzte Laufzeit hat und das Grundstück nicht im Eigentum des Bauberechtigten steht.
5.4. Risiko des Heimfalls
Das Risiko des Heimfalls nach Ablauf des Baurechts sollte nicht unterschätzt werden. Es ist wichtig, im Vorfeld zu klären, welche Entschädigung der Bauberechtigte bei Ablauf des Baurechts erhält und wie hoch diese ausfallen könnte. Es kann sinnvoll sein, vertraglich eine faire Entschädigung zu vereinbaren, die den Restwert der Bauten berücksichtigt.
5.5. Steuerliche Aspekte
Schließlich sollten auch die steuerlichen Aspekte beim Erwerb eines Baurechts beachtet werden. In der Schweiz unterliegt das Baurecht verschiedenen Steuern, wie der Grundstückgewinnsteuer oder der Liegenschaftssteuer. Es ist ratsam, sich im Vorfeld von einem Steuerberater beraten zu lassen, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden.
6. Fazit
Das Baurecht in der Schweiz bietet eine flexible Möglichkeit, ein Grundstück zu nutzen und darauf zu bauen, ohne das Eigentum am Land selbst zu erwerben. Es bietet sowohl für den Baurechtsgeber als auch für den Bauberechtigten verschiedene Vorteile, erfordert jedoch eine sorgfältige Vertragsgestaltung und die Beachtung der rechtlichen Rahmenbedingungen.
Die Schweiz ist ein Land in dem Bauland eine äusserst begrenzte Ressource darstellt. Umso mehr ist der «plumpe» Abverkauf von Bauland durch Land-Eigentümer in der Regel nicht die intelligenteste Massnahme, die man mit den eigenen Ressourcen anstellt. Ein Verkauf ist nicht nachhaltig und im Sinne einer langfristigen, Generationen übergreifenden Planung, abzulehnen. Die Vergabe von Bauland im Baurecht kann dem gegenüber als lohnender Gegenentwurf zum «schnellen Geld» durchaus Sinn ergeben. Im Gegenzug zum Verkauf erhält man bei Vertragsabschluss eine Zahlung sowie über die Jahre den entsprechenden Baurechtszins. Nach Ablauf des vergebenen Baurechts hat man – je nach Vertragsgestaltung – jedoch weiterhin das Eigentum an der entsprechenden Parzelle und zudem allenfalls ein Gebäude – im Heimfall oder aber zu entsprechenden Konditionen - oder aber das bestehende Bauland.
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Baurecht, Grundbuch, Heimfall, Heimfallrecht, Unterbaurecht, Beck Sursee, BECK Real Estate